Rapsfräs rock

„ … Er saß bei seinen Hausaufgaben, als er einen Traktor die Straße herunterkommen hörte. „ Der Hanomag vom Schulze“, schoss es ihm durch den Kopf. Er blickte kurz aus dem Fenster und sah die Bestätigung seines Gedanken.

So unterschiedlich sie auch waren, eins war allen Jungen im Dorf gemeinsam: Alle waren sie begeistert von großen Maschinen namentlich von Traktoren. Es war Ehrensache, dass man jeden Schlepper der vorbeifuhr am Motorengeräusch erkannte.

Auch war es bei den Jungs an der Tagesordnung, dass sie in ihren Gesprächen auf dem Schulweg versuchten sich gegenseitig mit ihren Kenntnissen über Landmaschinen zu übertrumpfen, und mancher Erwachsene, der ihnen im Zug zur Schule zuhörte, musste unweigerlich über diese Fachdiskussionen schmunzeln.

Für jeden der Jungen war es das größte, selbst einen Traktor zu fahren, und sei es auch nur eine Feldlänge. Genügend ausgeschmückt mit Details konnte man mit dem Erzählen eines solchen Erlebnisses am nächsten Morgen bei den Kameraden schon einen Stich machen.

Der größte Schlepper im Dorf war ein Monstrum aus Gusseisen, rotem lackiertem Blech und Plexiglas.

Seine Vorderräder waren so groß, wie bei vielen anderen Traktoren im Dorf die Hinterräder, denn es war eine Allradmaschine. Die Haube über dem gepflegten Sechszylindermotor zierte die silberfarbige Aufschrift „Schlüter 1250 VL“. Manche nannten ihn auch den „Sultan“, und tatsächlich haftete der Maschine etwas Majestätisches an.

Heute war sein großer Tag: Es war ein Morgen im August, wie man ihn sich schöner nicht vorstellen konnte. Er blickte über die zehn Hektar Rapsstoppeln, die erst gestern gedroschen worden waren. Heute war es egal, dass er nicht wie seine Klassenkameraden gleich nach der Konfirmation mit dem Schlepperführerschein anfangen konnte. Es spielte heute keine Rolle, dass sein Vater kein Bauer, und er nur der Sohn des Dorfpfarrers war. Er saß am Steuer des „Sultan“, und heute würde er ganz alleine den ganzen Tag diese grandiose Maschine steuern und diese ganzen zehn Hektar Rapsstoppeln fräsen. Er holte tief Luft, zog den Handgashebel bis zum Anschlag und ließ die Fräse in den Boden.

 

Gäbe es tatsächlich die Möglichkeit, vor Stolz zu platzen, an diesem Tag wäre er es ganz bestimmt…“

 

Rapsfräs Rock Mundart und hochdeutsch